„Völkerfreundschaft“ für die werktätige Bevölkerung

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Rostock, MS "Völkerfreundschaft", erste Fahrt
Von Bundesarchiv, Bild 183-71110-0002 / Mellahn / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5430537

Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff, diesen Traum hatten auch viele Bürger damals in der DDR. Und für einige wenige ging er auch in Erfüllung. Denn auch die DDR hatte ihre eigenen „Traumschiffe“, die zum Beispiel von Rostock aus mit der „werktätigen Bevölkerung“ und „verdienten Aktivisten“ an Bord in See stachen. Ziel der Reisen waren befreundete sozialistische Bruderstaaten in der Ostsee, dem Schwarze Meer und auch Kuba. Eben Ziele, deren politische Ausrichtung der DDR-Führung als unbedenklich galt.

Drei Schiffe unter DDR-Flagge

Genau drei dieser Traumschiffe unter DDR-Flagge gab es: Die „Völkerfreundschaft“ ging am 24. Februar 1960 auf Jungfernfahrt. Bekannt war das Schiff vielen schon vorher. Denn unter dem Namen „Stockholm“ versenkte das Schiff 1956 aus New York kommend die „Andrea Doria“ als sie im Nebel mit ihr kollidierte. Bei dem Unglück starben 51 Menschen.
Für 20 Millionen Kronen wurde wenige Jahre später das wieder instandgesetzte Kreuzfahrtschiff in die DDR verkauft. Bereedert wurde die Völkerfreundschaft vom AIDA-Vorgänger Deutsche Seereederei Rostock (DSR). Das erste Urlauberschiff des Freien Deutschen Gewerkschaftbundes (FDGB) sollte den Luxusschiffen des Klassenfeindes in nichts nachstehen und so wurden umfangreiche Umbauten vorgenommen. Die maximal 550 Passagiere an Bord kamen unter anderem in den Genuss eines Außen- und Innenschwimmbades, eines Rauchsalons, eines Verandakaffees mit großer Tanzfläche und eines Kinosaals in dem Filme aus DEFA-Produktionen gezeigt wurden. Die Zeitung „Neues Deutschland“ zeigte Bilder von Arbeitern, die es sich auf dem Schiff gutgehen ließen und Landausflüge genossen. So war für die Daheimgebliebenen klar: Planerfüllung und Fleiß lohnen sich.

Noch immer aktiv

Die ehemalige „Völkerfreundschaft“ ist übrigens immer noch aktiv auf See unterwegs. Unter dem Namen „Astoria“ betreibt Cruise and Maritime Voyages (CMV) das Schiff noch immer, vorwiegend auf dem britischen Markt. 2021 soll das Schiff allerdings ausgemustert werden.
Am 25. Juni 1960 lief das Kreuzfahrtschiff „Fritz Heckert“ vom Stapel. Der einzige DDR-Kreuzfahrtschiff-Neubau bot 380 Passagieren Platz. Das Schiff wurde auf den Namen des KPD-Gründungsmitglieds Fritz Heckert getauft und legte bis 1972 in 59 Häfen in 24 Ländern der Welt an. Dabei legte sie 494.345 Seemeilen zurück und beförderte mehr als 63.000 Passagiere Die Reisen führten ins Mittelmeer, an die Adria, in die Karibik oder in die norwegischen Fjorde. Landgang gab es allerdings nur in sozialistischen Ländern. Ab 1972 wurde das zunehmend reparaturbedürfte Schiff als Wohnschiff genutzt. Später dann als Hotelschiff. 1999 wurde es verschrottet.

Das dritte Urlauberschiff der DDR war die „Arkona“. Dieses Schiff erregte auch im Westen Deutschlands einiges an Aufsehen, denn sie war vielen bestens bekannt als Protagonistin der Serie „Traumschiff“. Am 29. August 1985 vollzog sich auf dem Schiff ein ganz besonderes Zeremoniell: Die Flagge der Bundesrepublik wurde eingeholt und die der DDR gehisst. Aus „Astor“ wurde „Arkona“. (Die „Völkerfreundschaft“ wurde zu diesem Zeitpunkt verkauft.) Das in Hamburg gebaute, bisher als Sinnbild für den Wohlstand des Westens stehende Schiff sollte ab sofort verdiente Bürger des Arbeiter- und Bauernstaates unter anderem in skandinavische, griechische und nordafrikanische Häfen bringen. Allerdings nicht nur die. Denn die „Arkona“ wurde zwecks Devisenbeschaffung auch an die TUI und ihre Tochterfirma Seetours verchartert.

Auf der „Arkona“ mitfahren (und dafür lange Wartezeiten in Kauf nehmen) durften in Ostdeutschland nur DDR-Vorzeigebürger. Ganz sicher auch begleitet von Stasi-Mitarbeitern, die die Aktivitäten an Bord (auch die der Crew) im Auge behielten. Dennoch gelang im Laufe der Jahre 225 DDR-Bürgern die Flucht von den Schiffen in den Westen. Das war aber nicht das einzige Problem der DDR-Traumschiffe: Sie rentierten sich einfach nicht. Walter Ulbricht hatte das bereits zu Beginn der Kreuzfahrten bei den Verantwortlichen des FDGB beklagt. Allein die „Völkerfreundschaft“ verschlang Hunderte Millionen an Subventionsgeldern. Für Ulbrichts Nachfolger Erich Honecker waren die Kreuzfahrtschiffe ein Ausdruck der erfolgreichen „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Kaufmännische Überlegungen hatten da wenig Platz.

Das FDGB-Urlauberschiff fuhr bis zum Ende der DDR auf den Weltmeeren. Am 03. Oktober 1990 vollzog sich auf der „Arkona“ der letzte innerdeutsche Flaggenwechsel. Die DDR-Fahne wurde eingeholt und die der BRD gehisst …

Headerbild:

Rostock, MS „Völkerfreundschaft“, erste Fahrt

Von Bundesarchiv, Bild 183-71110-0002 / Mellahn / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5430537